Papst Franziskus - Ein Mann seines Wortes (Filmstart: 14.6.2018)

Quelle: www.filmstarts.de
Quelle: www.filmstarts.de

Die meisten Vertreter des so genannten kritischen Journalismus hatten ihre Texte wahrscheinlich schon geschrieben, bevor der Film „Papst Franziskus. Ein Mann seines Wortes“ fertig war. Denn die Fakten schreiben eine Kritik gewissermaßen von selbst: Auftrag des Vatikan an Wim Wenders, einen Film zu drehen, nichts Kritisches, Verherrlichung eines Mannes, ohne den chauvinistisch-konservativ-reaktionären Apparat, dem er vorsteht und der sich euphemistisch „katholische Kirche“ nennt, zu hinterfragen oder gar zu kritisieren. So klingt es zumindest auf den maßgeblichen Seiten der selbst ernannten Unabhängigen. Und sie haben Recht. Der Film bietet genug Angriffspunkte, um es genauso zu sehen.

 

Man hätte vielmehr „kritische Informationen“ einstreuen sollen (Zeit.de), es sei „reiner Kitsch“ (Spiegel Online) und es bleibe „alle Widerrede draußen“ (Cicero.de). Dumm nur, dass keiner dieser Kritiker einräumt, wie sehr die journalistische Sicht auf solche Filme von der Überzeugung durchsetzt ist, dass jeder, der irgendetwas darstellen will, ein kritischer Journalist sein muss. So verfahren sie nicht nur mit Filmen, sondern auch mit Romanen, Kunst, manchmal gar mit Musik. Und sie tun vor allem das selbst, was sie allerorts anprangern, weswegen ich mich an dieser Stelle auch nicht schäme, es mit ihnen ebenfalls zu tun: Sie verschweigen, indem sie pauschalisieren. Der Papst als Hauptdarsteller des Films bietet keinen selbstkritischen Einblick in die Institution, der er vorsteht. Der Film setzt Schwerpunkte zu Lasten anderer Themen. Aber das als „Verschweigen“ zu titulieren und sich dann willkürlich Aspekte herauszusuchen, die einem selbst in den Kram passen, führt dazu, den Film an Hand dessen zu bewerten, was er nicht zeigt. Das tatsächlich Gezeigte wird, wenn überhaupt erwähnt, als reine Propaganda abgetan. Wenn das nicht pauschalisiert ist, dann weiß ich es auch nicht.

 

Was also wird gezeigt? Wim Wenders hatte den Auftrag, ein filmisches Portrait des Papstes Franziskus I. zu machen und er hat es getan. Vier Interviews hat er selbst geführt, darüber hinaus jede Menge Filmmaterial mit und über den Papst. Das Ergebnis ist eine Sicht auf die Welt des 21. Jahrhunderts, kommentiert durch einen der führenden Geistlichen unserer Zeit, was er Kraft seines Amtes ohne Zweifel ist. Und eins muss man Wim Wenders lassen: Er zeigt den Papst, wie er zu vielen Fragen Stellung bezieht, die Menschen hätten, die keine „kritischen Journalisten“ sind, sondern eben einfach Menschen. Fragen der Umweltzerstörung, der Gier nach Geld, der Armut, Arbeitslosigkeit, aber auch Fragen zu Homosexualität und Kindesmissbrauch in der Kirche. Es geht um die Gründe, nicht politisch-wirtschaftlich, sondern von der Einstellung jedes Individuums ausgehend. Man könnte sagen, Franziskus spricht über die spirituellen Gründe allen Elends und das wird wirklich selten genug getan. Den Kritikern geht das natürlich nicht weit genug. Sie wollen, dass Schuldige ausgemacht und angeprangert werden, ansonsten halten sie es für sinnlos. Aber als Mensch hat man durchaus etwas davon. Diese Worte zeigen Hoffnung, Glaube, einen Weg durch die Unwetter der Zeit und Bilder von Menschen, die trotz großen Unglücks immer noch Lächeln können, mit der Einsicht, dass schuldig und unschuldig keine Kategorien sind, in die man die Welt aufteilen kann. Das betrifft einen als Zuschauer so sehr, dass selbst der Spiegel-Online-Redakteur zugab, zu Tränen gerührt gewesen zu sein. Aber das lag seiner Aussage nach natürlich am Kitsch.

 

Ich möchte diesem Film jedem empfehlen und zugleich möchte ich niemandem empfehlen, nach der Ansicht dieses Films seine Konfession oder Religion zu wechseln. Denn hier wird letztlich nur gezeigt, wie bedeutend gerade in unserer Zeit der „News“ und „Fake-News“, der „Fakten“ und „alternativen Fakten“, geistige, „geistliche“ Helfer sind, die sich um das seelische Wohl der Menschen kümmern, und sich zugleich einem Ethos verpflichtet fühlen, auch wenn sie ihn in der Praxis selbst nicht immer umsetzen. Diesen Film zu politisieren, bedeutet, ihn jenen vorzuenthalten, die wirklich in Not sind, ob nun aus Armut, Krankheit oder schlicht aus purer Verzweiflung. 

 

Wie widersinnig die Politisierung dieses Films ist, zeigt ein Fakt, der in keinem der Artikel erwähnt wird. Der Papst erwähnt nämlich nur ein einziges Mal den Begriff „katholische Kirche“ und meint damit in der Tat konkret die Institutionen des Vatikans. Natürlich hätte man andernfalls schön kritisieren können, dass es sich um Missionspropaganda handelt, da es aber nicht auftaucht, könnte man kritisieren, dass es sich um versteckte Propaganda handelt. Also welchen Sinn macht eine solche Kritik dann überhaupt? Ich wäre äußerst interessiert, einen solchen Film auch einmal über einen evangelischen, freikirchlichen, jüdischen, moslemischen oder buddhistischen Geistlichen zu sehen, denn diese Menschen haben allesamt einen Blick auf die Welt, der in der Komplexität die Einfachheit und Gnade eines göttlichen Prinzips sieht und damit Trost zu spenden und Hoffnung zu geben weiß. Und wer eine solche Einsicht hat, der darf ruhig einmal Gehör finden, auch wenn sein Amt und seine Würde ihm nicht immer die Möglichkeit gibt, auch danach zu handeln. Manchmal ist eben auch das Wort das Wichtigste und das sollte ein jeder Journalist verstehen. Er verdient schließlich mit nichts anderem sein Geld. (gepostet: 11.7.2018)